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Was ist ein kritisches Ereignis?
Diese Frage ist einfach gestellt und schwer zu beantworten. Deswegen haben wir uns für eine pragmatische und weitreichende Definition entschieden:
Ein kritisches Ereignis ist das, was Sie als potentiell berichtende Person als kritisches Ereignis empfinden.
Das ist jeder Vorfall, von dem Sie behaupten können:
"Das war eine vermeidbare Bedrohung für das Wohlergehen des Patienten und sollte nicht passieren."
Diese pragmatische Herangehensweise wurde bereits 2001 und 2002 in sieben verschiedenen Ländern in der internationalen Studie zu medizinischen Fehlern in der Hausarztpraxis (Primary Care International Study on Medical Errors, PCISME [link]) angewendet und hat sich dort als praktikabel erwiesen.
Es muss kein Patientenschaden entstanden sein, um ein kritisches Ereignis zu berichten. Kein kritisches Ereignis ist zu unwichtig oder zu schwerwiegend, um nicht hier gemeldet werden zu können!
Die Bandbreite umfasst
- administrative Vorfälle, die 'nur' Zeit kosten und banal erscheinen
- zahnmedizinische Fehleinschätzungen, die zu unzureichenden Behandlungsmaßnahmen führen
- Abstimmungs- und Kommunikationsprobleme in der Praxis
- Verständigungsprobleme mit Ihren Patienten oder
- Fehler auf Seiten der beteiligten Patienten
Kritische Ereignisse können auftreten
- in der Praxisadministration
- bei der Führung der Patientendokumentation
- mit zahnmedizinischer Ausrüstung
- bei Laboruntersuchungen
- bei der Verschreibung und der Gabe von Medikamenten
- bei der körperlichen Untersuchung oder der Interpretation der Befunde
- bei der Durchführung von Untersuchungs- oder Behandlungsmaßnahmen
- bei der Diagnosestellung
- bei der Überweisung von Patienten an Fach(zahn)ärzte
- u. v. a. m.
International Taxonomy of Medical Errors in Primary Care Version 2004
Der Fehlertyp wird nach der 'International Taxonomy of Medical Errors in Primary Care, Version 2004' klassifiziert.
Diese Klassifikation wurde entwickelt, um medizinische Fehler zu kodieren, die Hausärzte in Studien der American Academy of Family Physicians und weiteren internationalen Studien berichtet haben. Die Taxonomie wurde aus dem Wortlaut der Freitextbereiche der Fehlerberichte erstellt. Diese Klassifikation ist ein sich entwickelndes Instrument und wird derzeit getestet und durch weitere Forschung erweitert. Sie besteht aus mehreren Dimensionen, wir verwenden hier lediglich die Dimension Fehlertyp.
- Prozessfehler
- Praxisadministration: Ablagesystem, Vollständigkeit der Akten, Patientenfluss, Behandlung von Nachrichten, Termine
- Ausrüstung/Gebäude/Umgebung
- Untersuchungen (Labor, Bildgebung, andere Untersuchungen): Anordnung, Durchführung des Tests, Information und Dokumentation und Follow-up des Befundes
- Behandlung: Medikamente, Impfung, andere Therapien: Verordnung, Durchführung, Überwachung der Behandlung
- Kommunikation: Kommunikation mit Patienten, mit nicht-ärztlichen Kollegen, mit ärztlichen Kollegen, im Team der gesamten medizinischen Versorgung
- Vergütung, Bezahlung
- Arbeitskräfte, Bewältigung der Arbeitsbelastung: schlechte Arbeitsorganisation, auch im Notfalldienst, Personalmangel
- Wissens- und Fertigkeitsfehler
- bei Ausführung einer klinischen Aufgabe: Abweichen von einer empfohlenen klinischen Praxis (in Anamnese, Diagnose, Therapie, bei klinischen Entscheidungen), nicht-klinisches Personal trifft falsche klinische Entscheidung
- Abweichen von einer empfohlenen administrativen Praxis: Kodierungsfehler, Fehler in der Dokumentation von Betäubungsmitteln